Die Stiftung
Acht Armeegruppen-Zeitungen in deutscher Sprache erreichten 1945 eine Gesamtauflage von fast vier Millionen Exemplaren. Sie wurden regionalisiert und erhielten Namen wie „Kölner Kurier“, „Braunschweiger Bote“, „Augsburger Anzeiger“ und „Stuttgarter Stimme“. Die von der amerikanischen Militärregierung herausgegebene, von Hans Habe und Hans Wallenberg redigierte „Neue Zeitung“ in München, sollte, nach einem Geleitwort des Generals Dwight D. Eisenhower, „durch objektive Berichterstattung, bedingungslose Wahrheitsliebe und durch ein hohes journalistisches Niveau“ der neuen deutschen Presse als Beispiel dienen.
Lizenzpresse
Die Ablösung der alliierten Militärzeitungen durch deutsche Lizenzpresse führte im Sommer 1945 an zum eigentlichen „Pressewunder“. Zwischen Juli 1945 und September 1949 lizenzierten die drei Westmächte 155 neue Tageszeitungen, Amerikaner und Briten je 61, die Franzosen 33. Die Amerikaner förderten in ihrer Zone (Bayern, Hessen, Württemberg) überparteiliche Zeitungen und vergaben Lizenzen an Personen verschiedener Gruppenzugehörigkeit. Die Briten lizenzierten in ihrer Zone (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) Richtungs-Zeitungen, die Parteien nahestanden. Die Franzosen erprobten in ihrer Besatzungszone (Rheinland-Pfalz, Baden) „Mischverfahren“, nämlich Partei- und überparteiliche Blätter.
Sonderkonto der Militärregierung
Für die Lizenzpresse war es schwierig, Maschinen oder Druckereieinrichtungen zu kaufen oder Betriebe zu erwerben. Druckereibesitzer trennten sich verständlicherweise nicht von ihrem Besitz, auch wenn er für einige Jahre an eine Lizenzzeitung verpachtet worden war. Die amerikanische „Information Control Division“ (IDC) verfügte, dass jede Zeitung in der US-Zone 20 Prozent ihrer Bruttoeinkünfte auf ein Sonderkonto der Militärregierung zu zahlen habe. Man werde diese Mittel gesondert verwalten und der jungen Lizenzpresse eines Tages als Darlehen zur Anschaffung eigener Druckereien und Maschinen zur Verfügung stellen.
Gründung der WIGO
Gesprächs- und Verhandlungspartner der amerikanischen Militärregierung ist eine im September 1947 von einer Arbeitsgemeinschaft der Zeitungsverlegerverbände in der US-Zone gegründete „Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse“, kurz WIGO genannt. Die Verleger wollten nach Einrichtung der WIGO gemeinsam Material und Maschinen für die Zeitungsproduktion beschaffen und an ihre Mitglieder verteilen lassen. Außerdem hofften sie, so auch an die 20 Prozent „Lizenzgebühren“ heranzukommen, die auf ein Sonderkonto der US-Militärregierung eingezahlt worden waren.
„Diese Absichten zeigten sich auch in den Gründungsstatuten“, schreibt 1973 Doris Schneider in ihrer umfänglichen und gründlich recherchierten Diplom-Arbeit über die „Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse eGmbH“. Als Geschäftsgegenstand sei der gemeinsame Einkauf und die Vermittlung des Einkaufs, die Herstellung von Einrichtungsgegenständen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen für Verlags- und Druckereibetriebe und die Annahme von öffentlichen Beihilfen, die Aufnahme und Gewährung von Darlehen aufgeführt. Bei ihrer Gründung durch 28 Verleger verfügte die WIGO über ein Geschäftsguthaben in Höhe von 140.000 Reichsmark. Jedes Genossenschaftsmitglied konnte sich mit einem Anteil von 5.000 Reichsmark eintragen.
Die von den Gründern erhoffte zusätzliche Kapitalausstattung in Form einer Verwaltung des Fonds für Lizenzgebühren verwirklichte sich im Frühjahr 1948. Mit Schreiben der US-Militärregierung vom 4. Februar und 4. Mai wird die WIGO Treuhänderin dieses Fonds in Höhe von 36.208.864,35 Reichsmark mit der Auflage, aus diesen Mitteln der US-lizenzierten Zeitungen und ihren Agenturen Darlehen zu einem niedrigen Zinssatz, entsprechend den Bedingungen des „Office of Military Government for Germany (U.S.)“ (OMGUS) zu geben, um den Ankauf oder Verbesserungen von Betriebsausstattungen zu ermöglichen.
Währungsreform
Durch die Währungsreform vom 21. Juni 1948, von den westlichen Militärbefehlshabern vorbereitet und verfügt, erhielt die Bundesrepublik ehe sie selbst in Leben trat „neues Geld“, gedruckt in den USA. Am „Tag X“ tauschte jeder Einwohner vierzig Deutsche Mark gegen alte vierzig Reichsmark. Da Ersparnisse und sonstige Guthaben im Verhältnis 10:1 bewertet wurden, sank auch der von der WIGO treuhänderisch verwaltete Fonds auf DM-Niveau: rund 3,5 Millionen. Ende 1949 zeichnete sich in der gesamten deutschen Presse eine finanzielle Krise ab. Der Lizenzzwang war aufgehoben. Auch die Altverleger, in deren Händen technische Einrichtungen und Druckereien meist geblieben waren, konnten wieder Zeitungen herausgeben.
In der Zeit von Mai bis Oktober 1949 erschienen in der amerikanischen Zone 650 neue Zeitungen, die mit 66 lizenzierten Blättern konkurrierten. Kapitalmangel herrschte nicht nur bei den Lizenzzeitungen in der amerikanischen, sondern auch in der französischen und britischen Zone, ebenso bei Altverlegern. „Die WIGO war zur Deckung dieses Kreditbedarfs nicht entfernt in der Lage“, schrieb Doris Schneider 1973 in ihrer Diplomarbeit, „weil es ihr nach Auflage des Treugebers nur gestattet war, Kredite an Lizenzzeitungen in der US-Zone zu vergeben“. Aber selbst in diesem kleinen Bereich war es ihr nicht möglich, den Forderungen nachzukommen, weil sich ihre Kapitalausstattung von weniger als drei Millionen DM bei mittelfristigen Krediten nur innerhalb eines Zeitraumes von 4 bis 5 Jahren umschlagen konnte. So stand ihr jährlich nur ein Betrag von 600.000 bis 700.000 DM für Neukredite zur Verfügung.
Darlehen für die WIGO
Daher wandte sich die WIGO an den amerikanischen Hochkommissar für Deutschland mit der Bitte um Gewährung eines Darlehens aus den GARIOA-Mitteln des Marshall-Planes (Abkürzung für Government Appropriations for Relief in Occupied Areas). Mit Schreiben vom 20. August 1951 wurde ihr ein Darlehen in Höhe von 15 Millionen DM gewährt, allerdings mit der Auflage, dass sich die Genossenschaft auf alle drei westlichen Besatzungszonen ausdehnen und auch Altverlegern diese Kredite zukommen lassen müsse. Ende 1952 wird sie in den „Hessen-Mittelrheinischen Genossenschaftsverband“, Wiesbaden aufgenommen und am 18. Januar 1953 in das Genossenschaftsregister der Stadt Frankfurt eingetragen. Am Ende des Jahres 1958 sind, laut Geschäftsbericht, 109 Kredite in Höhe von insgesamt 13.518.037,99 DM ausgeliehen. Aus eigenen Mitteln (Geschäftsguthaben und Rücklagen) sind Darlehen in Höhe von 370.000 DM gegeben worden, 2,4 Millionen DM aus dem Treuhandfonds „Lizenzgebühren“ und rund zehn Millionen aus GARIOA-Mitteln.
Während die treuhänderisch verwalteten Kredite aus GARIOA-Mitteln aufgrund der Rückzahlungsverpflichtungen auslaufen und mit Zinsen an die ursprünglichen Geldgeber zurückfließen, ist unklar, was mit dem Fonds aus Lizenzgebühren in Höhe von rund 3,2 Millionen DM werden soll.
Gemeinnützige fiduziarische Stiftung
Im April 1958 schreibt die amerikanische Botschaft der WIGO, man beabsichtige, den Fonds aufzuteilen. Monatelang verhandeln Repräsentanten der US-Regierung mit Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern der WIGO. Im Januar 1962 teilt die amerikanische Botschaft in Mehlem schließlich mit, es sei von Anfang an die Absicht der Regierung der Vereinigten Staaten gewesen, „diese Geldmittel immer zur Förderung einer freien und demokratischen Presse in Deutschland zu verwenden“ im Sinne des Artikels 5 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
„Es ist unser Wunsch, dass sobald wie möglich ein gemeinnütziger Treuhandfonds, eine gemeinnützige Stiftung, Gesellschaft oder ähnliche Körperschaft errichtet werde, und zwar in Übereinstimmung mit den deutschen Gesetzen und mit Zustimmung der Behörden“. Diese Einrichtung solle die Geldmittel für gemeinnützige Aufgaben verwalten, frei von Besteuerung durch Bund, Länder oder Gemeinden. Das verfügbare Geld dürfe nicht vermindert werden. Es solle helfen, Projekte und Studien von Personen, Gruppen und Organisationen zu fördern zur Pflege und Erhaltung der ideale und Ziele, wie sie der Artikel 5 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt habe.
Im Bericht des Vorstandes der „Wirtschaftlichen Genossenschaft der Presse eGmbH“ über das Geschäftsjahr 1967 heißt es: „Das Geschäftsjahr leitete einen neuen Entwicklungsabschnitt der WIGO ein.“ Nach langen und zähen Verhandlungen mit den Amerikanern werde mit Wirkung vom 31. Januar 1968 rund 2/3 des Geldes an eine deutsche und das restliche Drittel an eine amerikanische Stiftung gehen. Wörtlich: „Dem Betrag nach verblieben rund DM 2.160.000 für die deutsche Stiftung, die in der Rechtsform einer gemeinnützigen fiduziarischen Stiftung der WIGO verwaltungsmäßig zur Seite gestellt wird. Der Betrag von DM 1.030.000 wurde am 31. Januar an die amerikanische Botschaft in Mehlem zur Gründung einer amerikanischen Stiftung ausgezahlt.“ Die Regierung der Vereinigten Staaten und die Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse sind nunmehr die „Paten“ einer Stiftung „Freiheit der Presse“, die ein Stück deutscher Zeitungsgeschichte von 1968 bis heute begleitet.
Umwandlung in eine rechtsfähige Stiftung
Im Februar 1997 beschloss die WIGO in ihrer Aufsichtsrats- und Vorstandssitzung die Auflösung dieser Trägerorganisation für die Stiftung. Das Sondervermögen wurde auf die im Januar 1998 gegründete gemeinnützige – nunmehr rechtlich selbständige – Stiftung „Freiheit der Presse“ übertragen.